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Es dämmert Eigenwerk
von Esperanto aus der Kategorie Geschichte - Erfahrungen - Persönliches

Standard-Verzeichnis
Primärverzeichnis von Esperanto
Erstellt:    09.10.2006 00:39
Geändert: 18.06.2007 11:37
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Eigentlich ist ein schönes Wort.
Es war vor nun einem Jahr, als ich 14 jahre Schule erfolgreich hinter mir ließ und auch durchaus in einen traumhaften Sommer startete. Wie nicht anders erwartet, entwickelte sich dieser zu einer einzigen Party, die mir durch eine wunderbare junge Dame noch zusätzlich versüßt wurde. Kurz gesagt: Chillen, Feiern, Drogen, Ficken, Drogen, usw. – die totale Bedürfnissbefriedigung, einhergehend mit dem Verlust der Wahrnehmungsfähigkeit, die an Gestern erinnert und vor Morgen warnt.
Einhergehend mit dem Ende des Sommers kam die Zeit des Umbruchs.
Die Ära Heimatdorf war beendet und obwohl diese positv empfundene Endzeitstimmung tagtäglich um mich herum war, hatte ich doch eines Morgens das Gefühl völlig unverhofft in einer großen lauten Stadt aufzuwachen. Ich wachte auf, nicht im klassischen Sinn, nicht nach acht – oder zwölf – Stunden Schlaf, nein, eher nach drei Monaten Dämmerzustand, den ich höchst angenehm empfand, solange er Bestand hatte.
Aber wie das so ist mit dem Erwachen nach einem Ekszess – schmerzhaft im doppelten Sinn.
Nicht nur das man die direkten körperlichen Konsequenzen zu tragen hat, man blickt gezwungenermaßen auf den Haufen Realität, der vor einem liegt und fragt sich... und fragt sich... und fängt an sich zu hassen für das, was man verpasst hat. Man will nicht glauben, dass man seine Zukunft so sorglos vor sich her geschoben hat – mal wieder – ,will nicht wahrhaben, dass man nach so langem Weg wieder am Anfang der Endloschleife, die man seit Jahren hinter sich zu lassen sucht, angekommen ist. Enttäuschung und Wut steigen auf, bis zu dem Punkt der entscheidet, wie nun auf die nicht lange erträgliche Situation zu reagieren ist – Konsequenz oder Resignation.
Entweder man versucht radikale Einschnitte zu vollziehen, um möglichst viel des Verpassten wieder gut zu machen oder wenigstens versaute Vergangenheit mit produktiver Gegenwart zu verwischen oder man kehrt in den Dämmerzustand zurück, um täglich aufs neue versaute Gegenwart in angenehmen Retrospektiven und Traümen von weit entfernter rosiger Zukunft zu ertränken. Wenn man sich bei solchen Entscheidungen in tragisch vertrauter Umgebung wiederfindet, kann man sich nicht lange vor der Einsicht verstecken, das auf den nächsten Dämmerzustand ein schlimmeres Erwachen folgen wird und man beginnt mit wütender Konsequenz.
Mit dem Tatbestand eines seit 2 Wochen begonnenen Studiums im Rücken fällt der Aufbruch nicht schwer – nicht schwer im Sinne von machbar.
Also keine Drogen, keine Partys und dementsprechend wenig soziale Kontakte, aufgewogen mit Arbeitseifer, dem die Energie zur Umsetzung fehlt. Woher auch Energie? Die eine Hälfte geht bei der Kompensierung von Schlaf- und Essstörungen, bzw. beim bloßen Kraftaufwand zum clean bleiben drauf und die Andere veliert sich in der Depression. Man hasst sich einfach schon deswegen selbst, weil man sich wieder einer beschissenen Situation ausgeliefert hat, deren Entstehung, Charakter und Konsequenz man zu genüge kennt
Es fehlt beileibe nicht an Bewusstsein für die Situation, es ist alles ganz klar, und das macht es nur schlimmer. Wie sagte Galilei: Wer die Wahrheit nicht kennt ist höchstens ein Dummkopf, wer sie jedoch kennt und verschweigt ist ein Verbrecher (oder so ähnlich ). Könnte man wenigstens behaupten, man wusste nicht, was man tat, es wäre ein Zuckerschlecken gegen die Einsicht seines unverantwortlichen Handelns.
Aber frei nach dem Motto: Jeder Tag könnte der erste Tag deines neuen Lebens sein – auf,auf und davon.
Man bewegt seinen kraftlosen Körper in die Uni und hällt sich, ja doch irgendwie zurecht an der Tatsache fest, dass es nicht zu spät ist, solange man nicht tot ist. So vergehen die Wochen und langsam aber sicher geht die Sonne auf , bzw. man nimmt sie wieder wahr. Die neue Umgebung, immerhin der Mercedes unter den Bildungsanstalten, beflügelt immerhin genug, um seinen Arsch hochzukriegen, schafft wieder neue Perpektiven und plötzlich meint man zu glauben, dass diesmal alles anders wird. Diesmal wird es den Weg zurück nicht geben, diesmal nicht – kein Einschlafen, kein böses Erwachen.
Es scheint zu funktioniren. Man hat endlich mal die Zeit sich neue Ziele zu stecken, endlich wieder Energie, die weit über die gewohnte Notstromversorgung hinausgeht, endlich. Man war der Resignation selten so nahe gewesen.
Auch kein Wunder, den die zyklisch auftretende Konsequenz hatte nun schon so oft im erneuten Dämmerzustand geendet, dass es zunehmend fraglicher wurde, ob der immense Kraftaufwand es Wert sei. Die immerneuen Pläne zur grundlegenden Umstrukturierung dieses Lebens klangen schon wie Spott und Hohn, genau wie die Gespräche mit Leidensgenossen. Sich selbst noch ernst zu nehmen erschien zuweilen schwieriger als das Aufhöhren. So ist es auch zu erklären, dass ein wenig Misstrauen sich selbst gegenüber, wie ein hartnäckiger Splitter im Bewusstsein zurückbleibt, egal wie gut alles zu laufen scheint.
Allein die Intensität der plagenden Gedanken ist Garant dafür, dass Geschichte sich nicht wiederhohlt.
Nach drei Monaten verliert sich die Thematik im Alltag, der bei genauerem hinsehen ja auch genug andere Probleme mit sich bringt. Man schlägt sich mit gierigen Telefongesellschaften, ahnungslosen Handwerkern und lärmgeschädigten Nachbarn herum, erfüllt das Leistungspensum, wo auch immer es gefordert wird. Wo es einem noch Platz lässt, fängt man an Forderungen an sich selbst zu stellen: den geschundenen Organismus wieder heile machen, intelektuelle Einbußungen durch akademischen Arbeitswahn ausgleichen, die Ecken der Wohnung putzen, die seit Monaten unentdeckt blieben, vernachlässigte Freundschaften pflegen, sofern sie noch zu retten sind - eben alles kompensieren, was man verbockt hat.
Mit steigender Kompensationsrate, wächst der Mut zu Neuem und der Glaube an sich selbst. Da kann man sich sogar zutrauen das Rauchen aufzugeben.
Unglaublich aber wahr, es hat funktioniert. Fünf lange Monate ohne Drogen, die letzten zwei sogar ohne Zigarretten. Jetzt nur noch die Prüfungen bestehen und in einen Sommer voller Lebensfreude eintauchen.
Man wacht auf... Völlig appart liegt man zusammengekauert auf seinem Bett und zieht das Resumé. Semesterferien seit einer Woche vorbei, kaum eine Prüfung bestanden, weil bei fast allen nicht anwesend, Drogenanteil im Blut viel zu hoch, Wohnung erstickt im Dreck, Konto leer, Gefühlslage nicht fassbar, die letzten zwei Monate in trüben dichten Nebel gehüllt.
Keine Kraft für Konsequenzen, weil keinen Glauben mehr daran.
So lange wie irgend möglich wird die Wahrheit ausgeblendet, zu schmerzhaft das Eingestehen. Vermeindlich notgedrungen fristet man noch immer mit einem Bein im Dämmerzustand, versucht hier und da schönzureden, was nicht schönzureden ist, wohlwissend dass der nächste Schritt zwangsläufig einen Schlag ins Gesicht bedeutet, von dem man nicht sicher ist, ob man ihn nocheinmal einstecken kann. Wieder von vorne anfangen? Das ganze scheiß Spiel nochmal spielen? Und selbst wenn, mit welchen Erfolgsaussichten?
Was tun wenn Konsequenz und Resignation früher oder später immer wieder bei dem selben Punkt enden?
Da steht man nun, irgendwo zwischen Lachen und Weinen, und weiß was man zu tun hat.

Der Geist ist willig, der Geist ist schwach.
Und "verweile doch, du bist so schön" ist wirklich nicht drin.

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