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Hilflos Eigenwerk
von Hundefluesterer aus der Kategorie Freier Text - Persönliches - Selbsterlebtes

Episoden
Selbst Erlebtes, ohne Wertung meinerseits, ---------- - - -aber mit Intension. - - - --------------- Meine - persönlichsten - Geschichten
Erstellt:    22.12.2006 20:01
Geändert: 09.04.2007 19:10
1626 Lesungen, 2.1KB

Ich reise gerne mit der Bahn.
Man sitzt bequem auf seinem Platz und sieh die Landschaft vorbeiziehen. Geschützt hinter einer Fensterscheibe.


Der ECE hat wenige Minuten Aufenthalt in einem großen Bahnhof irgendwo in Europa.
Draußen, auf dem Bahnsteig, herrscht lebhafte Betriebsamkeit.
Leute steigen aus und hasten Richtung Ausgang. Andere werden begrüßt und verlassen eng umschlungen das Gate.
Einer kämpft mit drei Koffern, wer wird gewinnen?

Schräg vor meinem Fenster, kaum 2m entfernt, steht ruhig eine Frau neben einem Koffer.
Fern von jeder Betriebsamkeit und Hecktick.
Stolz, den Blick geradeaus gerichtet.
Wartet sie auf jemanden?

Eine Durchsage: Der Zug fährt planmäßig in 2 Minuten ab.

In die Frau vor meinem Fenster kommt ein wenig Bewegung.
Sie steht immer noch auf ihrem Platz, schaut gerade nach vorne, aber ich bemerke, dass sie sich auf ihre Ohren konzentriert.
Jetzt sehe ich auch den Stock in ihrer Hand.
Dann die Armbinde mit den drei Punkten.
Die Frau ist blind!

Die nächste Durchsage: Bitte einsteigen, der Zug fährt gleich ab.

Sie wartet auf jemanden, sie "schaut" sich um. Ich spüre ihre Hilflosigkeit, aber vor allem ihr Erstaunen.
Ist sie mit jemandem unterwegs, hat sie eine Hilfe (Bahnsteigschaffner, Bahnhofsmission) die nicht kommt?
Sie wird immer unruhiger. Mir ist es peinlich sie anzusehen, so dicht.
Ich kann fast jeden Gedanken in ihrem Gesicht ablesen.

Unglaube- wo ist die Hilfe?

So langsam geht ihr auf, das wird nichts mehr.
Ich sitze geschützt hinter meinem Fenster,
möchte aufspringen und helfen,
weiß aber nicht wie.
Letzte Durchsage. Der Bahnsteig ist schon fast Menschenleer.
Ich habe das Gefühl, dass ich der einzige Mensch bin, der bemerkt
was geschieht.
Das macht es für mich um so intensiver,
ich müsste helfen.
Nur ich könnte helfen.
Unvermittelt schaue ich mich um, ob nicht irgendwoher ein Helfer kommt,
Fehlanzeige.
Die Türen schließen sich.
Letztes Erstaunen,
dann die Resignation,
der Zug fährt ab.


Sie steht hilflos auf dem Bahnsteig und ich sitze hilflos hinter meinem Fenster.



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Denker            
Hundefluesterer am 22.12.2006 20:14 (Ergaenzung)    7  
Hundefluesterer
Man kann solche intensiven Augenblicke nur schwer durch das Medium Sprache vermiteln.
Aber bei mir haben sich diese Bilder, Gedanken und Empfindungen in meine Seele gebrannt.
Dort hat diese unbekannte Frau auf jeden Fall für immer einen sicheren Platz.


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