Über IRCLOVE Persönlichkeiten Copyright-Informationen anzeigen Bibliothek des Autors anzeigen Nachricht an Autor schreiben


Dem "Bergmichel" in´s Hirn geschaut... Eigenwerk
von Bergmichel aus der Kategorie Geschichte - Erfahrungen - Persönliches

Standard-Verzeichnis
Primärverzeichnis von Bergmichel
Erstellt:    27.02.2008 14:23 1834 Lesungen, 21.4KB

Wer es nicht selbst erlebt hat, kann es nur schwer glauben: Tüchtige Mediziner mit modernen Geräten sind heute sogar in der Lage, das menschliche Gehirn zu fotografieren. Ein grosser Erlebnisbericht über die "Kopfgucker" oder "Dem "Bergmichel" in`s Hirn geschaut

Die moderne Medizin macht eigentlich Unmögliches möglich: Einen Blick in die bislang verschlossenen Bereiche des menschlichen Körpers zu werfen, ohne diesen chirurgisch zu öffnen oder dem Patienten gefährlicher Strahlung auszusetzen. Kernspin-Tomographie heißt dieses, bereits seit 1984 in der praktischen Anwendung bewährte Verfahren zur Lokalisierung von gefährlichen Krankheiten eingesetzte Instrumentarium. Ebenso wichtig ist gleichwohl der Ausschluß befürchteter Diagnosen, wie beispielsweise einem Gehirntumor...

Begonnen hatte alles ganz harmlos: Mitte März 2005 fiel dem “Bergmichel” beim Blick in den Spiegel eine Veränderung seiner Pupillen auf. Die linke war unnatürlich vergrößert und reagierte auch auf Lichtveränderungen nicht mehr. So ergab sich bei Helligkeit eine unterschiedliche Weite beider Pupillen, was zu einer minimalen und zunächst gar nicht bewußt wahrgenommenen leichten Blendung des linken Auges beim schnellen Wechsel von dunklen in erleuchtete Bereiche führte. Da sich aber hieraus keine extreme Beeinträchtigung der Befindlichkeit ergab, ließ er dieses zunächst unbeachtet - verbunden mit dem “guten Vorsatz”, bei der nächsten Untersuchung durch den “Augenarzt des Vertrauens” denselben darauf hinzuweisen. Wobei der das dann wohl auch selbst bemerkt hätte...
Bei einer der regelmäßigen Messungen von Blut-(hoch)druck und (Über)-gewicht durch seinen “Leibarzt” im April, wurde dieses Phänomen beiläufig und erst während der Verabschiedung erwähnt. Nun kennt er seinen Doktor schon seit einigen Jahren, meint auch den Hausarzt dahingehend einschätzen zu können, wann dieser aufgrund kleinerer “Wehwehchen” nicht gleich mit der großen “medizinischen Keule” darauf losgeht - und wann der in Besorgnis aufgrund bestimmter Symptome verfällt. Nicht zuletzt auch immer unter dem Aspekt der -mit schonender Medikamentenbehandlung und dem andauernden Hinweis auf eine Ernährungsumstellung mittlerweile “normalisierten”- einst “pathologisch” hohen Blutdruckwerte. Und erschrak ob dessen Reaktion, für die der Begriff “Aufgeregtheit” noch eine eher harmlose Formulierung darstellt. Die sofortige Vorstellung beim Augenarzt sei vonnöten und warum dieses sein müsse, konnte sich “Der Bergmichel” dann bei der abendlichen Information via Internet “anlesen”. Unter dem Such- begriff “Unterschiedliche Pupillengrößen”, in der “googeligen” Auskunfttei, fanden sich jede Menge weiterführender Seiten, die in ihrem Grundtenor einen eingeklemmten respektive entzündeten Sehnerv für diese Anormalität nannten. Als Gründe wurden -neben einer bereits von Geburt an vorhandenen, harmlosen “Pupillotonie”- aber auch andere, schwerwiegende Ursachen wie Streß, Drogenmißbrauch oder “Multiple Sklerose” aufgeführt. Besonders beunruhigend stellte sich die durchaus denkbare -und offensichtlich gar nicht so seltene- Möglichkeit eines Gehirntumors dar. Also artig und verängstigt am nächsten Tag einen baldmöglichen Termin mit dem Fachmediziner für Augenheilkunde (Ophthalmologie) vereinbart. Dieser Berufsstand ist offensichtlich auch in Zeiten der “Gesundheitsreform” noch gut beschäftigt, so daß trotz gutem Zureden die sympathische Empfangsdame an der optischen Rezeption, den panischen Patienten erst für eine Woche später -Mitte April- vormerken konnte. Als Kassen-Kunde hätte er gar bis Ende des Monats ausharren müssen...

Doch die Hoffnung, nach eingehender Inspizierung der auch als “Anisokorie” benannten unterschiedlichen Pupillenweite, mit einem beruhigenden Ergebnis die Praxis verlassen zu können, erfüllte sich nicht. Weitere, umfangreiche Untersuchungen in einer spezialisierten Augenklinik des Hamburger “Landesbetrieb Krankenhäuser” (LBK) waren vonnöten. Der freundliche Mediziner hielt sich nach der Sprechstunde mit Vermutungen und Ursachen-Analysen komplett bedeckt, was -so gut es denn auch gemeint gewesen sein mag- die Nerven nochmals um einiges mehr anspannen ließ. Immerhin, die vorhandene Sehschwäche und der -wiederum in Zusammenhang mit der bestehenden “Hypertonie” (Bluthochdruck)- überprüfte Augeninnendruck, welche mich bereits 2003 zu ihm führten, waren nicht verschlechtert; hatten gleichwohl aber mit den nun akuten Auffälligkeiten nichts zu tun. Und das war in der Tat nur ein schwacher Trost...

Gelände und Gebäude der hanseatischen Heilanstalt sind dem “Bergmichel” noch aus seinen “wilden Jahren” in der Hafen-Metropole gut bekannt; hatte er doch dereinst im seinerzeitigen “Schwesternheim” mit den damaligen pflegerischen Mitarbeiterinnen bisweilen fröhliche Feste gefeiert, sich auf dem Balkon von den Mädels auch schon mal das Haupthaar scheren lassen und (nicht medizinische) Schaumbäder in deren Badewanne genossen. Die Umstände der damaligen “Visiten” standen  gleichwohl in keinerlei Verhältnis mehr zum heutigen Anlaß des Besuches. Aber immerhin verbanden sich damit angenehme Erinnerungen, wenn auch die frühere Unterkunft längst einer anderen Nutzung zugeführt worden ist. Der “LBK” ist eine private Gesellschaft und dieses durchaus spürbar - ein einziger hilfloser Blick aus unterschiedlichen Pupillen-Größen auf den schier endlosen, mit Kunstwerken moderner Künstler/innen verschönerten Fluren genügte, um vom aufmerksamen Personal gleich auf den rechten Weg zum Augenheil-Bereich gewiesen zu werden. Dort angekommen gratis(!) Mineralwasser-Getränke und Gebäck - und das nicht nur für Privat-Zahler. Gleichwohl bei diesen -im Gegensatz zum Pflicht-Versicherten- aus “Abrechnungsgründen” feste Termin-Vereinbarungen. Kassen-Patienten kommen in den Genuß der “Offenen Sprechstunde”, können also unangemeldet über die Woche erscheinen, erhebliche Wartezeiten dann allerdings inbegriffen. “Klientel” wie “Der Bergmichel” wird vom Chef “Prof. Dr. Dr.” persönlich begutachtet und das bedarf nun mal der genauen Absprache betrefflich des Gesprächs-Termins. Auch dieser Mann hat viel zu tun, hauptsächlich mit Operationen für deren Güte er weltweit bekannt ist. Nicht ohne Grund wird in der Broschüre des Hauses neben einer Wegbeschreibung für Bahn- und Kraftfahrer auch die Strecke vom Flughafen Fuhlsbüttel in die Heilstätte extra erwähnt...
“Der Bergmichel” hatte -weil zwar nun nicht mit dem Flieger aber eben doch von etwas weiter her angereist- noch eine “Audienz” für den späten Nachmittag des auf die Untersuchung beim ortsansässigen Augendoktor folgenden Dienstag “ergattert”. Hatte, vielleicht auch aufgrund der offenkundigen Dringlichkeit seiner im Telefongespräch mit der netten Vorzimmerdame erwähnten Symptomatik, von einem zunächst vorgesehenen Termin Ende April noch kurzfristig auf diesen Tag “gelegt” werden können. Wieder wurden zunächst -zum Teil mit denen des zuvor konsultierten Kollegen identische- Voruntersuchungen absolviert - es hätte sich in der kurzen Zwischenzeit ja auch etwas eklatant verändern können. Im Bereich der Augenheilkunde nimmt man es da offenbar sehr genau. Dann der grosse hoffnungsvolle Moment, in dem der Chefarzt sich nun selber des provinziellen Patienten annahm. Eine attraktive, beruflich steuerberatende Dame mit adeligem Namen, hatte im Wartezimmer während den dort üblichen “Leidens-Gesprächen” verlauten lassen: “Ich meine wohl sagen zu können, sie sind bei ihm in guten Händen.” Solcherlei Einschätzung aus berufenem Munde, weil zum festen Kunden-Stamm des Professors gehörend, machte Mut. Doch zunächst war auch der Spezialist rat- und tatlos, das in solchen Fällen heranzuziehende “Ausschlußverfahren” mußte zur Anwendung gelangen. “Ausschluß” - das bedeutete für den “Bergmichel” der schlimmste anzunehmende Fall: Gehirntumor. Und hätte zur Beruhigung des Nervenkostüms auch (erstmal) vollkommen ausgereicht. Interessant die Frage gleich zu Beginn der Ursachen-Forschung: “Haben sie im Hause pflegebedürftige Angehörige, um die sie sich kümmern?”. Nanu - und ein verständnisloser Blick, verbunden mit verneinender Antwort, ließ ihn sein Interesse an solcherlei persönlich-privater Hilfeleistung erläutern. Gar nicht so selten sei es, daß ihn vom Pflegepersonal Mitarbeiter/innen aufsuchten, die gleiche oder ähnliche Augenveränderungen schilderten. Und wären dann gar häufig unbemerkt mit Medikamenten ihrer stationären Schützlinge in Berührung gekommen, die durchaus beim gesunden Menschen solcherlei Störungen hervorrufen würden. Nein, auch damit konnte die “Fahndung” nicht unterstützt werden; weitere Gründe ebenfalls nicht ursächlich in Zusammenhang gebracht werden. Streß und Drogenkonsum -wie auf den besuchten Internet-Seiten erfahren- würden in aller Regel eine Starre beider Pupillen hervorrufen. Immerhin sah er im soliden (den wahrlich seltenen, dann aber erheblichen Genuß von Bier und Kümmelschnaps einmal ausgenommen) “Bergmichel” nicht einen heimlichen “Junkie”. Und auch die unnötige Einnahme von Medikamenten war kein Thema - außer den verordneten Tabletten zur Senkung des Blutdrucks gelangt da nichts in seinen Organismus.
Ein weiterer Termin mußte nun vereinbart werden, hier sollte mit Hilfe der Eingangs erwähnten “Kernspin-Tomographie” oder auch “Magnet-Resonanz-Tomographie” (MRT) genannt, zumindest der “GAU” Gehirntumor mit Sicherheit ausgeschlossen werden. “Wir rufen sie morgen an, es kann aber später werden, weil Operationstag ist”, verabschiedete der freundliche Chefarzt den seinerzeit noch am Elbdeich lebenden Patienten in eine weitere unbestimmte Zeit quälender Ungewißheit. Morgen, das war Mittwoch und somit Probenabend beim Gesangverein. In Erwartung des avisierten Telefonats verbrachte der den Tag zwar nicht unbedingt unruhig, gleichwohl in ständiger Begleitung des Funk-Fernsprechers. Zum Singen freilich mochte er auch nicht unbedingt gehen, soviel Fröhlichkeit mußte es denn doch nicht sein. Außerdem hatte sich bis zum frühen Abend noch niemand gemeldet; der ersehnte Anruf kam am übernächsten Tage - bezeichnenderweise Freitag, der 13. Mai 2005...
Die Wochen seit der “Alarmauslösung” beim Hausarzt waren geprägt von ständigen Gedankenspielen betrefflich der schrecklichen Möglichkeit, sich demnächst im Kreise medizinischer “Todeskandidaten” wiederzufinden. Besonders bedrückend und makaber, daß bei jedem unverhofften Blick in den Spiegel, des ja mehrmals täglich aufgesuchten Sanitärbereiches, diese angedachten trüben Zukunftsaussichten deutlich und im wahrsten Sinne des Wortes “vor Augen” geführt wurden. Darunter litt nicht zuletzt auch die künstlerische Kreativität - sowohl im beruflichen wie auch dem privaten Umfeld. Über das Internet weiteres Wissen einzuholen, hatte er schon kurz nach dem Abruf der ersten, grundsätzlichen Informationen zum Thema aufgegeben. Es wäre nur eine weitere, zusätzliche Belastung gewesen. Eine zwiespältige Ablenkung erfuhr “Der Bergmichel” am Pfingst-Sonnabend, bei einer viele Wochen vorher ergangenen Einladung zum 60. Geburtstag der Ehefrau seines Chor-Vorsitzenden. Dort hatte er eigens für die Jubilarin den Curd Jürgens-Sprechgesang “60 Jahre und kein bißchen Weise” umgetextet und trug diese -eher nachdenklich gehaltenen Verse- dem fröhlichen Festpublikum erfolgreich vor. Und wie es der Zufall so wollte - gerade auf dieser Feier traf er einen Nachbarn der veranstaltenden Eheleute, welcher aus seiner einstigen Heimatstadt Marne stammte. Und schwelgte bei bierseliger Stimmung in launigen Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit in der norddeutschen “Marsch- und Karnevals-Metropole”. Wenigstens waren da die Gedanken für eine Weile woanders, auch wenn beim Gespräch über ehemalige Mitbürger nicht selten die Tatsache des Ablebens eine Rolle spielte und von daher der grobe Schnitt in die eigene Situation wieder vorhanden war...

Als “Tag der Wahrheit” war Dienstag nach Pfingsten vereinbart worden. Ein näherer Bekannter aus dem musikalischen Umfeld des “Bergmichel” hatte noch vor dem Fest artige Grüße per e-mail geschickt: “...auf das der heilige Geist bei Dir erscheine und alles erleuchte.” Im umgehend folgenden Antwortschreiben wurde in bekannt satirisch-sarkastischer Art dem -oberflächlich über die unklaren gesundheitlichen Probleme informierten- Freunde mitgeteilt: “Es kann für mich in absehbarer Zeit durchaus auch umgekehrt kommen: Erst wird es strahlend helle (wie ja immer wieder von Menschen, die das schon erlebt haben, berichtet wird) und dann stehe ich vorm Heiland.” Also, trotz angespannter Gemütsverfassung doch immer noch Lust auf ein kleines makabres Wortspiel die eigene Person betreffend; im “Volksmund” wird so etwas gemeinhin auch als “Galgenhumor” bezeichnet...

Weit vor der abgemachten Zeit fand sich “Der Bergmichel” am späten Dienstag-Vormittag nochmal im modernen Klinikum des kundenfreundlichen Landesbetriebs ein. Um 12.00 Uhr (“High Noon”) war die Untersuchung in der Abteilung für “Diagnostische Radiologie” angesetzt. Aufgrund seiner “Überpünktlichkeit” konnte dann, im unmittelbar angrenzenden Warteraum, zunächst akustisch die Untersuchung des vorherigen Patienten “mitverfolgt” werden. Was sich -trotz dicker Zwischenwände- in lautstarkem Brummen, Klopfen, Knattern und den hupenden Tönen offenbar eines warnenden Signalgebers darstellte. So unangenehm diese Geräuschkulisse -wie auch der Aufenthalt in der extrem engen “Röhre” des Kernspintomographen- für die meisten Menschen auch sein mag- stellt dieses reine Diagnosegerät doch eine der modernsten und schonendsten medizinischen Untersuchungsmethoden in der heutigen Zeit dar. Weder Eingriffen am Körper (mit Ausnahme der evtl. intravenösen Verabreichung eines ungefährlichen Kontrastmittels), noch einer schädigenden Strahlung wird der Hilfesuchende ausgesetzt. Und das sollte im Sinne insbesondere eines klarstellenden Ausschluß-Befundes, der circa einstündige Aufenthalt (vielfach geht es auch schneller) in dieser beklemmenden Umgebung schon wert sein...

Solcherlei Sorgen plagten den “Bergmichel” freilich nun überhaupt nicht; im Gegenteil: Als “Technik-Freak” und im Vertrauen auf die vielfach gescholtene “Apparate-Medizin” empfand er die vorgesehene Maßnahme mithin als äußerst interessant und beeindruckend. Und für den Notfall, so erklärten ihm die durchführenden Mitarbeiter der Abteilung in ihrer ausführlichen Einweisung, könne er mittels am Hosenbund befestigten Alarmknopfes, jederzeit die Untersuchung unterbrechen. Doch zuvor hieß es, sich aller metallischen Gegenstände zu entledigen. Brille, Geldbörse, Gürtel usw. wurden in einem persönlichen Schließfach deponiert. Der Schlüssel zu diesem kleinen “Safe” war übrigens aus einem stabilen Material gefertigt, welches auf das eingesetzte Magnetfeld nicht reagiert und konnte somit “am Mann” getragen werden. Auch die ehernen “Nieten” an den Jeans standen dem Vorhaben nicht im Wege - die Büx konnte, ebenso wie das T-Shirt, anbehalten werden. Anders stellt es sich freilich bei im Körper befindlichen metallenen Gegenständen dar; für Träger von Herzschrittmachern oder eingesetzten silbernen Schienen (z.B. nach einem Knochenbruch) kommt eine “MRT” von daher nicht in Frage. Als einzige Schwierigkeit gestaltete sich das Anbringen der Kanüle, für in den Blutkreislauf einzubringende Kontrastmittel. Trotz “Hypertonie” (Bluthochdruck) mußte “Der Bergmichel” mehrfach -zuletzt unter Wechsel des zunächst vorgesehenen Armes und Verwendung einer kleineren Nadel- “angestochen” werden, bis der intravenöse Zugang endlich zufriedenstellend gelegt war. Formbarer Gehörschutz, vom “Probanden” selbst in beide Gehörgänge eingesteckt, dienten zum Schutz vor den schon vorher wahrgenommenen lauten Geräuschen, die im Rahmen des “Procedere” unvermeidbar sind. Als dieses alles vollbracht war, wurde der Untersuchungs-Tisch nun endlich in den großen Zylinder des Kernspintomographen geschoben. Dem anfänglichen Interesse an der neuen, engen Umgebung folgten dann doch -sich hauptsächlich im zu untersuchenden Kopf abspielende- etwas beklemmende Gedanken. So kam ihm unwillkürlich der Roman “Lebendig begraben” von E.A.Bennett in den Sinn. Auch Erinnerungen an die verschütteten Kumpel von Lengede in ihrer “Dahlbusch-Bombe”, Anfang der sechziger Jahre, wurden wach. Hilfreich erwies sich gegen solcherlei Trübsinnigkeiten ein direkt über dem Haupte angebrachter Spiegel, dessen Einstellung die Betrachtung, eines an der Stirnwand des Untersuchungs-Raumes hängenden Bildes ermöglichte. Leider bei nur unzureichender Beleuchtung, was freilich die gemarterte Phantasie in eine Richtung (ab)lenkte, Mutmaßungen über das Motiv des Werkes anzustellen...
Dann, nach einer ganzen Weile der Ruhe (und des stillen Gebets, das für den “Bergmichel” in solch einer Situation auch nicht fehlen darf), währenddessen wohl das notwendige Magnetfeld “aufgebaut” wird, die ersten ungleichmäßigen Brumm- und Klopfgeräusche. Durch die Stöpsel in den Ohren gut ferngehalten und problemlos zu ertragen. Immer wieder unterbrochen von kürzeren und längeren Pausen. Alles in allem bei weitem kein extrem unangenehmer Zustand; auch an die Enge des Zylinders, der den mannsgroßen Magneten enthält, hat er sich inzwischen gewöhnt. Denkt an Astronauten in ihren Weltraumkapseln und stellt Vergleiche in diese Richtung für sich an. Und immer wieder der Versuch, das Gemälde im Spiegel zu identifizieren. Dann wieder Geräusch, nun aber von “außen”: eine Tür öffnet sich und die Stimme einer der beiden Schwestern, welche auch schon beim Einstieg in die “Röhre” hilfreich waren, kündigt an, daß nun das vorbereitete Kontrastmittel verabreicht wird. Davon spürt der “Tunnelmann” nichts und als der eindruckvolle Fototermin nunmehr mit diesem Zusatz in den Adern fortgeführt wird, stellt sich allmählich -zumindest oberflächlich- Ruhe und Gelassenheit, ja gar Müdigkeit ein. An der injizierten Flüssigkeit kann es nicht liegen, die dient einzig der besseren Darstellung seiner zu porträtierenden Körperbereiche. Auf Wunsch hätte es vorher übrigens auch ein Beruhigungsmittel gegeben, hauptsächlich für jene Patienten gedacht, denen die räumliche Enge des Gerätes Probleme bereitet. Dessen hatte es beim “Bergmichel” nun überhaupt nicht bedurft; der ist zwar ob der Diagnose beunruhigt, nicht aber durch das dafür notwendige Verfahren zur Erlangung derselben aufgeregt. Im Gegenteil, obwohl jetzt wieder die Arbeitsgeräusche des Kernspintomographen einsetzen, wird der nunmehr gut halbstündige Aufenthalt im Gerät eher dahingehend unbequem, daß die letztendlich für diese Prozedur verantwortlichen Äuglein, verstärkt versuchen zuzufallen. Das allerdings muß aufgrund des Gebotes absolut ruhiger, gerader Lage mit starker Willenskraft verhindert werden. Nicht das er noch versuchen würde, sich im "Bett" umzudrehen...

Soweit kommt es denn doch nicht, die hochmoderne Apparatur kann nach rund 20 weiteren Minuten verlassen werden. Im Vorraum wartet schon der Herr über diese technische Abteilung und die teure Körper-Kamera: Ein Vertrauen erweckender Doktor, mit langem, weißen Haar, der -allein dadurch- irgendwie den Eindruck eines “Weisen Mannes” vermittelt. Er hat sich schon mal die magnetisch geknipsten Bilder angesehen und kann gleich beruhigende Entwarnung geben - kein Tumor, keine sonstigen Anormalitäten im Gehirn erkennbar! Trotzdem möchte er ganz sicher gehen und zur endgültigen Festlegung noch weitere, spezielle Aufnahmen der durch den Kopf verlaufenden Gefäße machen. Das soll freilich nicht sofort geschehen, jetzt sind erst mal andere dran, und während “Der Bergmichel” bei seiner Ankunft gegen 11.15 Uhr allein im Warteraum saß, haben dort jetzt zwei weitere Kandidaten Platz genommen. Auch auf dem Flur stehen darüber hinaus noch Kranken-Betten, belegt mit älteren Damen. Also richtig Betrieb im medizinischen “Fotostudio” ab Mittag, der Chef verabschiedet mich vorerst. Viel trinken möge ich noch, auf daß die eingeleitete Substanz, recht bald den Körper wieder verlasse...
Nach diesem ersten Erfolg ist der Seelenfrieden so einigermaßen wieder im Lot. Tief Luft holen. Zwar kann auch der -gleich anschließend im selben Klinikum konsultierte- Neurologe keine Gründe für die linksseitige Pupillenstarre herausfinden, obwohl eine Reihe von möglichen Umfeld-Ursachen auch durch den Patienten angedacht werden. Ungefähr zu dem Zeitpunkt der Entdeckung seiner Pupillen-Veränderung hat der sich die schmerzende linke Schulter mit dem “Tiger-Balsam” eines renommierten Herstellers eingerieben. Die damals verwandte Salbe hat er mitgebracht, nur schließt der Fachmediziner für das Nervenwesen einen Zusammenhang aus. Das “Dinkelspelz-Kopfkissen” der nächtlichen Bettstatt? Der Tropfen Mundwasser, vor Monaten aus dem Zahnputzbecher wieder hochgespritzt und im Auge gelandet? “Der Bergmichel” wohnt auf dem Lande, da gibt es Pflanzenschutzmittel und Anwender, die damit schlampig umgehen...? Nein, das alles ist nachvollziehbar auszuschließen aus zweierlei Gründen: Bei den einmaligen “Maleschen” ist eine dauerhafte Schädigung eher unwahrscheinlich - das Auge ist robuster, als gemeinhin angenommen. Bei ständigen Einflüssen sind in der Regel beide Augen betroffen. Auch der Neurologe schaut sich die mitgegebenen, großformatigen Schädel-Aufnahmen der “Radiologischen Diagnostik” sehr genau und mehrmals an. Kann auch nichts ungewöhnliches an Haupt und Hirn feststellen, prüft sorgfältig Reflexe am ganzen Leib - und kommt zu keinem Ergebnis. Dabei bleibt es - nach dem nochmaligen Besuch in der “Radiologischen” und darauf folgender Rückkehr in die Abteilung des Augenspezialisten, kann auch dieser weder Diagnose noch Therapie anbieten. Es ist gekommen, es hindert nicht sonderlich, vielleicht geht es irgendwann auch von selbst wieder. Aber die Hauptsache ist - kein Gehirntumor! Damit läßt sich leben...

Michael R. Redmann, © 2005

Anmelden, eigene Werke veröffentlichen und Teil der Autorengemeinschaft werden - 100% kostenfrei (Infos)
Username: Passwort: EMail:




Neuen Kommentar oder Ergänzung schreiben
Überschrift Kommentar Ergänzung

Ich habe die Richtlinen zum Schreiben von Kommentaren, gelesen und verstanden. Ich habe sie bei meinem/r Kommentar/Ergänzung beachtet.


Rechtliche Hinweise: Der/die Autor/in hat mit dem Einstellen dieses Inhaltes IRCLOVE von jeder Art von Einwendungen und Einsprüchen seitens Dritter freigestellt. Sollte hier Ihrer Meinung nach das gültige deutsche Recht in irgendeiner Weise verletzt werden, wenden Sie sich bitte vorrangig an den Verfasser. Informieren Sie uns bitte gleichzeitig per Mail an service@irclove.de.
Verarbeitungszeit: 0.0304 sek.