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Der Leuchtturmwärter Eigenwerk
von kasselklaus aus der Kategorie Geschichte - Unterhaltung

Kurzgeschichten aus 30 Jahren
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Erstellt:    12.10.2008 09:52 1707 Lesungen, 7.5KB

1.

Der Leuchtturm markiert die äußerste Nordspitze des Landes. Er steht auf einer schmalen Landzunge, die einige hundert Meter in das Meer hineinragt. Wenn es stürmisch ist - und hier ist es das oft - dann wird die Landzunge von den wild wogenden Wellen überspült; dann muß der Leuchtturmwärter in seinem Leuchtturm bleiben.

Doch heute ist es fast windstill. Nur einige Schäfchenwolken stehen am Himmel. "Das sind Schönwetterwolken!" murmelt der Leuchtturmwärter in seinen roten, wild wuchernden Bart, nachdem er einen kurzen, prüfenden Blick zum Himmel geworfen hat. Der Leuchtturmwärter sieht aus, wie alle Leuchtturmwärter aussehen: Er hat rote Haare auf dem Kopf, die von einer blauen Schiffermütze bedeckt sind. Seine Haut ist gegerbt vom rauhen Wetter. In seinem Mund steckt eine Pfeife, aus der aber nur manchmal Rauch aufsteigt. Denn gelegentlich vergißt der Leuchtturmwärter, an seiner Pfeife zu paffen - und dann geht sie aus. Wenn seine Frau das bemerkt, sagt sie zu ihm: "Jan, deine Pfeife ist aus!" Und dann murmelt Jan ein bestätigendes "mmmh" in den Bart und zündet sich die Pfeife wieder an.

In einem unterscheidet sich Jan allerdings von seinen Leuchtturmkollegen: Er hat in seinem rechten Ohr einen kleinen Ohrring. Den hat er vor einigen Jahren von einem der Besucher seines Leuchtturms erhalten.

Der Jan hat also zum Himmel geschaut. Er weiß nämlich, daß bei schönem Wetter besonders viele Besucher seinen Leuchtturm besichtigen wollen. Jetzt ist es zehn Uhr, Beginn der Besuchszeit, und gleich werden die ersten Neugierigen kommen.

2. Die Drehtür

Gemächlich schlurft Jan zum Eingang des Leuchtturms. Auf den ist er besonders stolz. Er sagt immer zu seinen neugierigen Besuchern: "Das ist der einzige Leuchtturm auf der ganzen Welt mit einer Drehtür!"

Auch heute sind die Besucher, zwei Familien mit drei Kindern, eine Mutter mit ihren zwei Töchtern und ein Rentner, neugierig, was es mit der Drehtür auf sich hat. Besonders die Erwachsenen wollen wissen, welchen Sinn eine Drehtür bei einem Leuchtturm hat.

"Das verrate ich erst, wenn wir oben sind!" sagt Jan und läßt die Besucher durch diese besondere Tür gehen. Die Kinder drehen mehrere Runden mit der Drehtür. Das macht Spaß: Man läuft und läuft im Kreis, ist manchmal gefangen und wenn man weitergeht, ist man innen oder außen und ist frei. Immer schneller dreht sich die Drehtür. Die Erwachsenen sind ungeduldig, vermutlich erwarten sie, Jan würde etwas sagen. Aber der läßt die Kinder gewähren. Er weiß, irgendwann wollen die Kinder hoch zur Leuchtturmspitze.

Und richtig: Plötzlich haben sie erst einmal genug vom Drehtürfahren und wollen schnell nach oben kommen. "Langsam! langsam!" murmelt Jan und nimmt einen Zug aus seiner Pfeife und geht dann zu einer Tür neben dem Eingang. Er greift in seine Tasche, holt einen großen Schlüsselbund heraus und steckt einen der Schlüssel, die viel länger sind und ganz anders aussehen als die modernen Sicherheitsschlüssel, in das Schloß. Knarrend öffnet sich die alte Holztür und eines der Kinder blickt angstvoll zu seiner Mutter. "Das ist nur mein Wohnzimmer!" sagt Jan lächelnd und führt die Besucher in das Zimmer. Es ist gemütlich eingerichtet. Die Kinder würden sich am liebsten auf das große, weich und bequem aussehende Sofa setzen. Das weiß Jan, denn alle Besucherkinder wollen das, und viele waren schon da. Also sagt er: "Wer will, kann sich auf's Sofa setzen!" Die Kinder stürmen zum Sofa, und alle finden darauf Platz.

"Wenn Ihr die Schuhe auszieht, dürft ihr auch darauf herumspringen." Das lassen sich die Kinder nicht zweimal sagen. Sie ziehen die Schuhe aus und springen laut kreischend auf dem Sofa herum. Grinsend hält Jan sich die Ohren zu.

Als es wieder etwas ruhiger wird erklärt er, wann er sich in diesem Raum aufhält, und daß er im Winter den Kohleofen anmachen muß. Daß das zwar gemütlich ist, er aber seine Mühe und Last damit hat, die Kohle heranzuholen.

"Haben sie denn kein Auto?" fragt ihn einer der Besucher erstaunt. "Nein", sagt Jan lächelnd. "Ich brauche kein Auto. Mein Fahrrad bringt mich auch gut voran - nur das Transportieren ist manchmal schon schwierig. Außerdem - " Jan kratzt sich nachdenklich am Hinterkopf und wird auf einmal sehr ernst, "will ich nicht, daß die Meeresluft noch dreckiger wird."

Die Kinder wollen endlich nach oben.

Jan führt seine Besucher zur Wendeltreppe. Ihre Stufen sind aus Stein gemauert. "Mir wird ganz schwindelig," ruft einer der Jungen. Er hatte es besonders eilig hochzukommen und ist jetzt schon fast oben.

"Gemach, gemach, hab' ich ja gesagt", murmelt Jan und grinst.

Schließlich sind alle oben angekommen. Wieder holt Jan sein Schlüsselbund aus der Tasche und schließt mit einem großen, uralten Schlüssel die bestimmt ebenso alte Holztür auf.

"Von hier oben leuchtet's", lautet Jans knappe Erklärung. Die Besucher schauen sich zunächst alles genau an. Besonders genießen sie die Aussicht, die heute sehr gut ist.

Man kann den Horizont sehr deutlich sehen. Gerade wie ein Lineal trennt er das etwas hellere Blau des Himmels von dem dunkleren des Meeres.

Schließlich haben sich alle an der Aussicht sattgesehen. Jan erklärt seinen Besuchern die Technik seines Leuchtturms. Schließlich sagt er: "Sie wollten doch wissen, warum mein Leuchtturm eine Drehtür hat."

Fast alle Besucher nicken. Jan macht es aber spannend.

"Warum gibt es überhaupt Drehtüren?" fragt er die Kinder erst einmal.

"Damit's nicht zieht", überlegt eines der Mädchen.

Jan nickt.

"Gut. Wißt ihr noch einen Grund?

"Damit weniger Kälte 'reinkommt", überlegt ihre Schwester.

"Das ist auch gut!" ermuntert sie Jan.

Jetzt kehrt Schweigen ein, weil alle überlegen.

Nachdenklich kratzt sich der Rentner mit dem Zeigefinger an seiner Nase. "Eine Drehtür schwenkt nicht nach vorn und kann deshalb keinen vor den Kopf stoßen", sagte er schließlich. Die Kinder lachen. Sie stellen sich vor, wie eine Leuchtturmtür seine Nase platt drückt.

Jan schmunzelt. "Ich weiß, was ihr denkt!"

Eine Pause tritt ein.

"Nun machen Sie mich aber richtig neugierig!" sagt der Rentner schließlich.

Bedächtig holt Jan seine Pfeife und ein Ledersäcken aus seiner Hosentasche. Dem Säckchen entnimmt er Tabak und stopft sich die Pfeife. Die Besucher werden immer ungeduldiger.

"Die Drehtür hier hat KEINEN Sinn", sagt er schließlich. "Sie wurde einfach nur so eingebaut."

Der eine Familienvater kann das nicht fassen. "Die Drehtür wurde einfach so eingebaut? Das muß doch viel Geld gekostet haben. Das Geld hätte man doch sinnvoller ausgeben können!"

"Da mögen sie recht haben", sagt Jan und geht Richtung Wendeltreppe.

Als alle wieder unten angekommen sind, stürmen die Kinder wieder auf die Drehtür zu und drehen sich immer wieder im Kreise.

Schmunzelnd verfolgt der Familienvater das Treiben auch seiner Kinder.

"Sehen sie", Jan nimmt einen Zug aus seiner Pfeife, "das könnte der Sinn sein."

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