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Werwoelfin: Ein Held geht nicht über Zebrastreifen Eigenwerk
von Ahnengalerie aus der Kategorie Geschichte - Menschen

Texte -> Gedichte
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Erstellt:    31.01.2005 00:00
Geändert: 28.07.2008 20:47
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Irgendwann bekommt selbst die schwerstbeschäftigte Mutter ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihren kleinen Jungen mal wieder vor dem Fernseher sitzen sieht, blass und mit glänzenden Augen. Wenn sie dann auch noch die Schießereien hört, die der Kasten von sich gibt, wird sie sich vielleicht sogar überlegen, ob die Glotze wirklich so ein idealer „Babysitter“ ist.
Aber bald ist die Mittagspause um, und sie muss in den Betrieb zurück, denn sie muss ja schließlich das Geld verdienen, da der Vater es vorgezogen hat, Junggeselle zu bleiben.
„Junge, mach, dass du an die frische Luft kommst! Heute Nachmittag spielst du mal draußen.“
Der Junge blickt sie erstaunt an, überrascht, wie sie auf so einen Vorschlag kommt, und ein bisschen wütend, weil sie ihn beim „A-Team“ stört.
„Geht doch nicht“, wendet er lahm ein, „viel zu gefährlich. Nur Mörder, Spione, Außerirdische...“
„Red keinen Unsinn! Das ist doch nur in Filmen so. In Wirklichkeit sind da nur normale Menschen und normale Kinder.“
„Genau das. Öde, sowas. Viel zu langweilig. Außerdem kommt gleich...“
„Du gehst!“ sagt die Mutter streng und schiebt den widerstrebenden Fernsehfreak zur Tür hinaus.
„Tschüss!“ ruft sie noch und ist verschwunden.
Die Tür ist zu. Hier steht er nun, in einer tristen Welt, wo noch nicht mal der Himmel richtig blau ist, und der bequeme Sessel ist nur wenige Meter von ihm entfernt, allerdings unerreichbar. Der Junge dreht sich um. Stinknormale Häuser, stinknormale Straßen, stinknormale Leute. Da gibt es nur eins, um diesen Nachmittag ein bißchen aufzumöbeln.
Der Junge verwandelt sich in Drakula und beginnt, von blutrünstiger Gier getrieben, sich an seine Opfer heranzupirschen. Er achtet darauf, dass er immer im Schatten bleibt, denn in der Sonne würde er sofort verbrennen, ganz langsam und schmerzhaft verkohlen und zu Asche zerfallen... BUMS! Ein Unwissender ist wahrhaftig, ahnungslos, wie er ist, mit Drakula zusammengestoßen.
„Pass doch auf, wo du hinrennst, Junge!“
Der Vampir fletscht seine nadelspitzen Zähne. In dieser dunklen, einsamen Gasse ist ihm der Mensch hilflos ausgeliefert.
„Ich will dein Blut.“
Der Mann schüttelt den Kopf.
„Du hast wohl zu viele Horrorfilme gesehen.“
Er geht weiter.
Drakula ist wieder ein Junge, die unheilvolle Jagd auf Menschenleben muss verschoben werden. Die Straße ist wieder langweilig. Erwachsene verderben einem immer den Spaß.
Auf der anderen Seite spielen welche. Er könnte ja mal rüber gehen. Nur so. Aber was ein echter Held ist, der geht nicht über Zebrastreifen. Die bewaffneten Räuber würden sonst entkommen. Er muss den kürzesten Weg wählen: über die parkenden Autos. Das hat er schon mal gesehen. Warum der das im Fernsehen gemacht hat, kann er nicht sagen, aber es hat ihm gefallen.
„He, du, was fällt dir ein?“
„Runter da!“
„Du zerkratzt doch den Lack!“
„Na warte, Bürschchen!“
James Bond hört nicht auf die wütenden Stimmen. Es gibt nur diese Möglichkeit, den verrückten Professor aufzuhalten, sonst sprengt er die ganze Erde in die Luft.
Allerdings kehrt unser Agent ziemlich bald schmerzhaft in die Realität zurück. Er liegt nämlich auf der Nase. Motorhauben sind glatt. Wie ein gekränkter Monarch schreitet er über die Straße, allerdings an der Ampel.
Die Kinder spielen mit einem Ball. Sie unterbrechen kurz, als der Junge zu ihnen kommt.
„Gib´s her!“ sagt er zu dem einen, der das Spielzeug in der Hand hält. Wenn er schon hier sein muss, will er auch den Ball für sich haben.
„Nö, aber mitspielen kannst´e schon.“
„Diese Stadt ist zu klein für uns beide.“
Mit klirrenden „Dreh-Dingern-an-den-Stiefeln-hintendran“ schreitet der Cowboy langsam und breitbeinig auf seinen Rivalen zu. Zwölf Uhr mittags. Totenstille. Nur der Wind pfeift. Die Bevölkerung hat sich in ihren Häusern verkrochen. Es gibt nur sie beide auf der einsamen Straße. Seine Finger zucken. Er holt aus und schmettert seinen Feind mit einem einzigen Fausthieb zu Boden.
Der fremde Junge liegt auf der Straße und krümmt sich vor Schmerzen. Der Ball ist ihm aus der Hand gefallen. Eine Frau kommt herbeigestürzt.
„Oh mein Gott“, ruft sie, „was hast du gemacht?“
Sie kniet sich zu dem Verletzten nieder und betastet seinen Bauch.
Unser Junge blickt sie unsicher an. Sicher steht er doch gleich wieder auf und nix ist passiert. Das ist doch immer so: Im Zeichentrick fliegt einer mit `ner Bombe in die Luft und setzt sich wieder zusammen, beim Catchen springt ein Fettklops auf den anderen drauf und der ist gleich wieder munter.
Die Frau hebt das Kind auf und wendet sich wieder an ihn.
„Wie kommst du dazu, so etwas zu tun? Sieh dir das an! Er wird vielleicht zum Arzt müssen. Ich will sofort deine Eltern sprechen. Hat dir keiner beigebracht, daß man andere nicht schlägt? Auf einen Wehrlosen einzuprügeln!“
Der Junge hält sich die Ohren zu. Gleich ist die Sendung vorbei, und diese Probleme gehen ihn nichts mehr an. Die Frau zieht ihm die Finger aus den Ohren.
„Hör gefälligst zu, wenn ich mit dir rede!“
Der Fernseher geht nicht auszustellen. Fernseher bringen die Augen auch nicht auf diese Weise zum Brennen.

Auf einer ganz normalen Straße, unter einem gewöhnlichen Himmel, vor einem durchschnittlichen Haus stehen drei Kinder. Eines hält sich den Bauch. Sie stehen um einen kleinen Jungen herum, der in den Armen einer fremden Frau und richtigen Mutter weint.
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